Chancen und Herausforderungen europäischer Migrationspolitik
Migrationsforscher Dr. Raphael Bossong zu Gast bei den Andernacher Stadtgesprächen
Ein äußerst interessanter Nachmittag führte die Zuhörer am vergangenen Samstag, 2. August 25, in die Tiefen der europäischen und deutschen
Migrationspolitik. Der thematische Bogen spannte sich von der Genfer Flüchtlingskonvention über das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) bis ins nationale Asylrecht. Dabei ließ die Analyse
des stellvertretenden Leiters der Forschungsgruppe EU/Europa der Stiftung Wissenschaft und Politik an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Im Gemeindesaal der katholischen Kirche St. Marien
würdigte Dr. Bossong den zutiefst humanen Gedanken des Flüchtlingsschutzes in den Verträgen der EU und deren Menschenrechtscharta ebenso, wie er die aktuellen Anstrengungen zur Begrenzung des
Zuzugs von Schutzsuchenden kritisch reflektierte. Der Referent sah die EU an einem Scheideweg, dessen Ausgang derzeit ungewiss erscheint. Geht es weiter wie bisher? Führt der Weg in die
vollkommene Abschottung einer „Festung Europa“ oder stehen wir vor einem Systemwandel, der einen gänzlich neuen Umgang mit dem Phänomen Migration möglich macht? „Die Materie ist äußerst komplex.
Lassen Sie sich durch Vereinfacher nicht verführen,“ appellierte Bossong und stellte sich einer angeregten Diskussionsrunde.
Jochen Grade, Vorsitzender der Flüchtlingshilfe Andernach, welche die Stadtgespräche regelmäßig ausrichtet, schloss sich diesem Appell
an und wies eindringlich darauf hin, dass bei aller Beschäftigung mit gesetzlichen Regelungen und politischen Rahmenbedingungen stets bewusst bleiben muss, dass bei Migrationsfragen immer über
menschliche Schicksale gesprochen wird. Deshalb stellte Grade auch bei dieser Veranstaltung anfangs wieder einige Flüchtlinge aus Andernach mit ihrer persönlichen Fluchtgeschichte
vor.
Die nächste Veranstaltung im Rahmen der Andernacher Stadtgespräche ist für den 27. September um 15 Uhr am gleichen Ort geplant. Frau Nina Gartenbach
vom Flüchtlingsrat RLP wird über die Abschiebepraxis im Lande berichten.
18. Juli 2025
Pressestatement
Laut Medienberichten startet heute ein Flugzeug vom Flughafen Leipzig, um Afghanen nach Afghanistan abzuschieben. Das ist der zweite deutsche Abschiebungsflieger seit der
Machtübernahme der Taliban.
“Abschiebungen nach Afghanistan sind ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, denn die Taliban herrschen dort mit brutaler Gewalt wie
Auspeitschungen und Hinrichtungen für Verstöße gegen ihre Sittenregeln. Zudem ist auch die humanitäre Situation in dem Land katastrophal. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet
Abschiebungen, wenn Folter oder unmenschliche Behandlung drohen. Das ist in Afghanistan der Fall“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.
Hintergrund
Bereits am Montag hatten PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Länder gefordert, dass ein Abschiebungsstopp für
Afghanistan erlassen werden muss und dass angesichts des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen die Führung der Taliban weder „technische” noch diplomatische Beziehungen zu
den Taliban aufgenommen werden dürfen.
Das absolute Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Völkerrechts gilt
auch für Menschen, die Straftaten begangen haben. Dies hat PRO ASYL gemeinsam mit dem Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), der Neuen Richter*innenvereinigung (NRV), der
Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) und den Flüchtlingsräten festgehalten.
Einen Überblick über die aktuelle dramatische Lage in Afghanistan findet sich in dieser Publikation der Frankfurt University of Applied Science zur aktuellen Situation in Afghanistan von Dr.
Alema sowie in einem neuen Rechtsgutachten zur Strafbarkeit von Abschiebungen von Afghan*innen mit Aufnahmezusage von
Pakistan nach Afghanistan.
27.06.2025
Der Bundestag hat heute in namentlicher Abstimmung dem „Entwurf eines Gesetzes zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten“ für einen Zeitraum von zwei
Jahren zugestimmt.
Neben der Absurdität, einen legalen und geregelten Zugangsweg zu schließen um gegen „irreguläre Migration“ vorzugehen - ist in dem Gesetzentwurf (anders als bei der Aussetzung
zwischen 2016 und 2018) keine Übergangsregelung für Personen vorgesehen, die bereits einen entsprechenden Antrag gestellt haben und sich derzeit schon/noch im Verfahren befinden. Hieran hat
auch die Sachverständigenanhörung vorgestern im Bundestagsinnenausschuss nichts mehr geändert.
PRO ASYL hat sich dankenswerter Weise unmittelbar nach dem familien- und integrationsfeindlichen Beschluss des Deutschen Bundestages in der hier verlinkten Pressemitteilung „Gesetzlich beschlossenes Leid“ zu Wort gemeldet. Zitat: „Heute hat der Bundestag nicht nur ein Gesetz verabschiedet
– er hat Tausenden Menschen bewusst weitere Jahre Trennung und Leid auferlegt (…) Das ist kein politischer Kompromiss, das ist ein Bruch mit humanitären Werten und dem Grundrecht auf Familie
sowie eine Missachtung des Kindeswohls. Die Maßnahme betrifft insbesondere Frauen und Kinder, denen ein weiterer sicherer Fluchtweg genommen wird – viele werden sich alternativ auf
lebensgefährliche Fluchtrouten begeben.“